Karl Heinz Witte
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Superman oder Kümmerling und dazwischen Nichts?
Meditationen über das Machtproblem in Adlers Neurosenlehre[1]

I. Die Neurose als Sicherungssystem

1. Ein Fall von Zweifelsucht

a) Symptomatik

Stellen Sie sich vor, zu Ihnen käme ein Ratsuchender, der klagt: Ich muß an allem zweifeln, was man bezweifeln kann. Und was kann man nicht in Zweifel ziehen? Ich frage mich: Ist, was ich da sehe, echt, oder täuscht mich wieder ein Wahn, wie schon so oft? Manchmal erlebe ich ganz realistisch alltägliche oder entsetzliche Dinge; aber dann wache ich überrascht auf: ich habe nur geträumt. Dann wieder träume ich, daß ich träume, möchte aufwachen; es geht nicht. Ich bin ein König, oder ich bin bettelarm. Ich bin nackt, oder ich bin in Seide gekleidet. Mein Körper verändert sich zu einem Kürbis oder scheint aus Glas zu sein, ich habe keine Hände oder keine Augen: Bin ich nun in der Wirklichkeit oder träume ich, habe ich Halluzinationen, bin ich verrückt? Ich stelle mir vor, ein böser Geist bringe meine Gedanken durcheinander. Und kaum habe ich es gedacht, weiß ich wirklich nicht mehr: Ist nun 2 und 3 zusammen 5, oder hat mir der verrückte Geist das nur eingeblasen, und in Wirklichkeit sind Fünfe eine gerade Zahl, wie die Leute mir sagen: Laß Fünfe gerade sein? Es gibt nichts mehr, woran ich mich halten kann. Ich bestehe nur noch aus Grübeln und Zweifeln. Und so geht das nun schon seit Jahren. Immer habe ich es weggeschoben. Ich fühlte mich dem Problem nicht gewachsen. Ich konnte es nicht anpacken, wie es sich gehört. Doch nun weiß ich: Ich versäume mein Leben, wenn ich nicht endlich Klarheit und Sicherheit finde. Ich will nichts mehr als wahr annehmen, was nur irgendwie ungewiß oder zweifelhaft ist. Können Sie mir helfen?

b) Diagnose

Wer von Ihnen, die Sie das hören, hat sich nicht schon eine heimliche Diagnose gebildet? Der "normale" Mensch unter Ihnen sagt sicher: Der spinnt. Der hilflose Helfer sagt: Ein armer Kerl ist das. Der Psychiater meint wohl: Eine schwere Zwangsneurose, wenn nicht gar Schlimmeres. Günter Heisterkamp wird sagen: Nicht so rasch mit dem Abstempeln, fragen wir erstmal nach den originären Insuffizienzerlebnissen! Schließlich hören wir Herrn Horster[2] und alle anderen Philosophen: Den kenne ich doch? Über den habe ich mir doch auch schon mal den Kopf zerbrochen? Wer ist es doch gleich?

c) Meditationen des Descartes

In der Tat, bei diesem ratlosen Rätsellöser brauchen wir es mit der ärztlichen oder psychologischen Schweigepflicht nicht zu genau zu nehmen. Er hat seinen Fall selbst veröffentlicht und war mächtig stolz darauf. Sein Name ist René Descartes.

Das Buch, aus dem ich die Zweifelsfragen übernommen und in psychopathologische Symptome verwandelt habe, heißt: 'Meditationes de prima philosophia' (Descartes 1956), zu Deutsch: 'Betrachtungen über die Metaphysik'. Wenn ich in den Untertitel meines Vortrags in Anlehnung an das Buch von Descartes das Wort "Meditationen" gesetzt habe, so will ich damit einen zweifachen Hinweis geben:

1. daß jede Besinnung über das Machtphänomen in der neuzeitlichen Kollektivneurose von den Meditationen des Descartes ihren Ausgang nehmen sollte;

2. daß in unserem Problemfeld neue - nun freilich ganz anders geartete - Meditationen notwendig erscheinen und weiterführen könnten.

Darum: Meditationen über das Un-Wesen des Willens zur Macht, der in den Augen des frühen Adler der Quellpunkt der Neurose ist.

2. Sicherung und Macht

a) Sicherung gegen die Lebensgefahr

Wie hängt nun das neuzeitliche, von Descartes definierte Prinzip der Sicherung des Wissens mit dem Machtproblem in Adlers Neurosenlehre zusammen? Das läßt sich erkennen, wenn wir eine Definition der Macht betrachten, die Carl Friedrich von Weizsäcker (1978, 227ff.) vorgeschlagen hat. Danach ist Macht die potentiell unbegrenzte Anhäufung von Mitteln zur Sicherung gegen Gefahren. Und da die größte Bedrohung des Menschen vom Mit- oder Gegenmenschen auszugehen scheint, richten sich die Machtmittel vor allem gegen menschliche Gegner, die sich wiederum bedroht fühlen. Und das schraubt die Aufrüstung der Machtmittel mit eiserner Verstandeslogik in die Höhe, höher als es für das ursprüngliche Ziel der Sicherung sinnvoll wäre.

Die Neurose ist ein Sicherungssystem. Das war die erste definierende Kennzeichnung der Neurose, mit der Adler (1911/1973) sich von Freud absetzen wollte. Gegen eine vernünftige Vorsorge und Sicherung kann man wohl nichts haben. In der Neurose streben wir aber nach prinzipieller Sicherung. Das Sicherungsstreben wirkt als Leitlinie unseres Lebens. Es geht um die Sicherung als Überlebensprinzip. Mit dieser Definition hat Adler dasselbe als Wesen der Neurose gekennzeichnet, was von Weizsäcker als das Wesen der politisch-ökonomischen und militärischen Macht bestimmt hat: die ins Unvernünftige wachsende Rüstungsspirale, die bis zur Selbstvernichtung fortschreitende Anhäufung von Machtmitteln zur Sicherung gegen Gefahren, mögen sie von der Natur oder vom Gegenmenschen ausgehen.

b) Sicherung des Wissens in Wissenschaft und Technik

Sicherung des Wissens ist das Prinzip der neuzeitlichen Wissenschaft. Aber nicht etwa jener fiktiven humanistisch stilisierten Grundlagenforschung, die Glasperlenspiele betreibt oder Realitätsmodelle als Sprachspiele erstellt, sondern jener Allerweltswissenschaft und -technologie, deren Geräte wir benutzen, deren Früchte wir essen und die uns, wenn wir krank sind, das Leben retten. Descartes wollte nur als Wahrheit zulassen, was in jeder Hinsicht sicher und zweifelsfrei erwiesen ist. Auch in der Psychologie wollen ganze Heere von Professoren und Diplomanden nur zur Diskussion zulassen, was methodisch sauber verifizierbar oder falsifizierbar ist. Verifizieren heißt wahr machen. Was nicht dem prinzipiellen Zweifel unterworfen werden kann, kommt gar nicht als Wahrheit in Betracht. Diesem Prinzip folgend, werden die Phänomene so zugerüstet, daß sie objektivierbar und operationalisierbar sind. Faust hat Recht: Am Anfang steht nicht mehr das Wort, der Logos, sondern die Tat. Wissenschaftler sind Schreibtischtäter. Sie schreiben der Wahrheit vor, wie sie zu erscheinen hat. Dazu bauen sie Apparate und methodische Konstrukte. Die Apparate liefern uns die Ergebnisse nicht völlig zweifelsfrei; darum müssen sie weiterentwickelt werden. Die Forschungen sind riskant; die Sicherheit wird verbessert.

Wie die Atomtechnik sich der elementarsten Energie der Natur bemächtigt, ist zweifellos zum Staunen. Staunen ist nach Platon der Anfang der Philosophie. Darum wollen wir für das Paradox empfindlich werden: Die Hochtechnologie der Atomwissenschaft und -technik läßt uns zwar die elementarsten Kräfte der Natur beobachten und nutzen. Dazu muß sie aber die naturfernste aller denkbaren Umwelten aufbauen. Daß weder das Natürliche noch das Menschliche hier einen Platz finden, liegt in der Zielsetzung der Forschung und Anwendung selbst: Gewaltige Kräfte sollen durch Gewalt herbeigeholt, freigesetzt und gebändigt werden. So ist es notwendig, den schwachen Menschen um der Sicherheit willen durch Roboter und automatische Sicherheitssysteme zu ersetzen. Aus der Umwelt dieser Art Hochtechnologie muß das Leben verschwinden. Die Naturwissenschaft wird, indem sie den Menschen und die natürliche Natur ausklammert, immer mehr selbst zu einem unlebendigen, anorganischen Prozeß. Schließlich werden sogar das Leben und letztlich auch der Mensch nur noch nach anorganisch-technischen, kybernetischen Modellen begriffen.

Das menschenleere, eine tödliche Energie bändigende Atomkraftwerk ist das Symbol des verselbständigten, neurotischen oder vielleicht sogar psychotischen Sicherungssystems, das den lebendigen, fehlbaren Menschen erledigt hat.

d) Der Kümmerling in der Ritterrüstung; der Supermann im Elend

Einer meiner Klienten erzählte mir kürzlich, er habe noch zu seinem 25. Geburtstag eine Karte von seiner Mutter geschenkt bekommen: Wenn es zwei Wege gibt, wähle immer den besseren. Versuchen Sie einmal nur gedanklich, diese Empfehlung radikal ernst zu nehmen! Ich hätte die Einleitungssymptomatik, die ich aus Descartes` 'Meditationes' entnommen habe, genausogut aus der Krankengeschichte dieses Klienten wählen können. Was Descartes da anführt, hat er alles. Ich ergänze: Er kann sich nicht entscheiden, erst in den Schreibmaschinenkurs zu gehen und dann in den Garten oder umgekehrt. Darf er am Abend in das Arbeitslosenzentrum, oder muß er seiner Mutter beistehen? Wenn er die Mutter allein durch den Park spazieren läßt, könnte ihr doch etwas passieren. Vielleicht kann er es ja auch nicht verhindern. Aber in dubio pro securitate. Früher, als seine Symptomatik noch voll erblüht war, konnte er nicht sicher sein, daß seine zerstörerischen Gedanken nicht tatsächlich eine Zerstörung verursachen könnten; also versuchte er, in dubio pro securitate, böse Gedanken im voraus zu verhindern. Wir können uns leicht vorstellen, zu welcher Lebensverarmung und Selbstamputation ein solches Prinzip führt. Keine Freundin, wenig Bekannte, kein Beruf, wenig Lebensfreude: Über die neurotische Zentralangst wölben sich Angst und Scham auf Grund der versäumten Lebenschancen, die nicht unbegründete Furcht vor der sozialen Ächtung durch die Arrivierten, die offenbar genau wissen, wie man es macht. Darüber eine maßlose Wut, mörderische Racheimpulse, jedoch beherrscht, gesichert und gebändigt in einem undurchdringlichen Panzer, emotional nur auf die Selbstversorgung eingestellt: Das Bild des Kümmerlings, der durch sein lückenloses Kümmern um zweifelsfreie Sicherheit bekümmert und verkümmert ist; aber in der Rüstung eines Ritters, ein Astronaut, ein Mondfahrer auf unserer schönen Erde. Also doch ein Superman?

Stellen wir uns einen Astronauten in seinem Weltraumanzug unter den Kastanien und dem weiß-blauen Himmel in einem unserer schönen Münchner Biergärten vor. Es hat so strahlenden Sonnenschein, daß alle Gesichter mitstrahlen müssen, und er kriegt seine Klappe nicht auf: ein Bild des Jammers. Das ist das Bild, das mein Klient für seinen Bezug zur Welt und zum Mitmenschen fand. Ist das nicht auch ein Bild für unsere wissenschaftlich zweifelsfrei erhärtete, technisch sicher versorgte und entsorgte neuzeitliche Existenzweise?

II. Die Neurose als Wertsystem

1. Wertlosigkeit als Grundgefühl des Neurotikers

In einem ersten Gedankengang ist die Neurose als Sicherungssystem betrachtet worden. Doch, wie gezeigt, ist die Neurose in diesem Sinne keine Privatsache. Das Wissenschaftsverständnis der Neuzeit folgt demselben Gesetz der prinzipiellen Sicherung. Das ist der Kern des neuzeitlichen Grundsatzes: Wissen ist Macht. Eine zweite Kennzeichnung der Neurose könnte im Sinne Adlers lauten: Die Neurose ist ein Wertsystem.

Oft werden wir gefragt, wie es kommen mag, daß Tante Lisbeth das Haus nicht mehr verlassen will, daß der Neffe sich dick frißt und die Nichte magersüchtig ist. Wo sucht man, wo suchen wir die Antwort? In der Erziehung, in der Geschwisterkonstellation, in einer Mutterbindung, in frühkindlichen Mangelerlebnissen? Ja. Aber was ist das geistige Band, der Kernpunkt, auf den Adler weist? Ihm geht es um das Grundgefühl des Neurotikers. Und dem geht es bekanntlich um Alles oder Nichts, man könnte auch mit Hamlet sagen: um Sein oder Nichtsein. Wie sieht das im Erleben des Neurotikers aus? Dazu hören wir Adler: Der Patient gehe zum Arzt, um von seinen Symptomen befreit zu werden. "Was er aber nicht weiß, ist, daß er etwas noch mehr (als seine Symptome) fürchtet: als etwas Wertloses dazustehen; es könnte sich etwa das düstere Geheimnis entpuppen, daß er nichts wert sei."  - Er ist "ein Mensch, der glaubt, vor einem tiefen Abgrund zu stehen, der fürchtet, wenn er angetrieben wird, in den Abgrund zu stürzen, das heißt, daß seine Wertlosigkeit sich enthüllen werde." (1933/1973, 105)

2. Kompensation durch psychisches Können

Adler erklärt, wie das Kind versucht, seine Furcht zu verbergen und wettzumachen: "... so holt das disponierte Kind in seinem Minderwertigkeitsgefühl aus seinem psychischen Können die oft auffälligen Mittel zu seiner Wertsteigerung, ..." (1912/1972, 10; später korrigiert zu "Wertgefühlssteigerung".) Die wesentliche Erkenntnis liegt darin, daß das Kind, aus dem Können eine Wertsteigerung abzuleiten sucht. Das Kind findet demnach seinen Wert nicht in dem, was es ist, sondern in dem, was es kann, das heißt in dem, wessen es mächtig sein kann. Es bleibt aber bestehen, daß das Kind in dem, was es ist, den Wert nicht findet. Die gefürchtete fundamentale Wertlosigkeit ist ein  Seinsmangel, nicht ein Könnensmangel. Die Anstrengungen des Könnens und Wollens richten sich gegen die wesenhafte Wertlosigkeit, das heißt bei Adler gegen die konstitutionelle Minderwertigkeit.

Auch in der Individualpsychologie wird das Adlersche Minderwertigkeitsgefühl oft verharmlost: es sei entwicklungspsychologisch ein späteres Phänomen, setze die Entwicklung eines vergleichenden Ichs schon voraus. Man möchte darum lieber von Selbstverlustangst, Hilflosigkeit und Ohnmacht sprechen. Als ob das nicht noch höher differenzierte Befindlichkeiten wären! Ich empfinde solche Neuinterpretationen als Ausweichen vor der abgründigen Erfahrung der Wertlosigkeit, das heißt als ein Wegschielen vom Bodenlosen, von der andrängenden Bedrohung durch das Nichts. Ohnmacht läßt sich nur erleben und verstehen, wenn ein Machtwille vorausgeht. Die zugrunde liegende Erfahrung würde ich lieber mit Heidegger (1927) das "Geworfensein" nennen. Es wird "faktisch" entweder als Hingegebensein oder als Ausgeliefertsein erlebt.

Sein oder Nichtsein? Diese Frage Hamlets lautet in Adlers Fassung: Wertsein oder Nichtssein? Darum kämpft der Wille zur Macht.

3. Wille zur Macht

Im allgemeinen denkt man beim Thema Macht an ein begrenztes Phänomen neben anderen, zum Beispiel neben Bedürfnisbefriedigung, Sexualität, Aggression, Kommunikation, Gleichberechtigung. Macht gilt als soziales Phänomen: daß einer dem anderen seinen Willen aufzwingen kann. Als innerpsychisches Phänomen betrachtet, erscheint die Macht im Umkreis des Narzißmus, in Form kindlicher Allmachtsphantasien, Überwertigkeit und Größenwahn (zusammenfassend: Strotzka 1985). In Adlers Hauptwerk hat der Begriff "Wille zur Macht" aber eine grundsätzliche Bedeutung. Er wird dort als Grundkraft des Lebens verstanden.

Was heißt Macht? Das Verbum zum Substantiv "Macht" heißt mittelhochdeutsch "mügen"; daraus wurde neuhochdeutsch "mögen", d.h. gern haben, wollen. In "mügen" steckt auch das Verb "vermögen", also können. Das Wort "können" hingegen heißt ursprünglich kennen, sich auf etwas verstehen. Die Bedeutungsgeschichte verbindet mit dem Wort "Macht" also einen Komplex aus Wollen, Können und Wissen.  Und was will, weiß, kann der Mächtige? Nichts anderes kann ihm als wissens-, könnens- und wollenswert erscheinen als: was er, der Mächtige, selbst weiß, will und kann. Denn der Mächtige läßt sich von keinem anderen als ihm selbst etwas sagen, allenfalls etwas raten; aber "zu sagen", hat der Mächtige selbst. Wir können also Macht auch verstehen als unbedingtes und unwidersprochenes Befehlen, also als absolutes Herrsein, vor allem über sich selbst. Damit haben wir den Machtbegriff Nietzsches (siehe z.B. Nietzsche hrsg. v. Schlechta Bd.3, 673ff.) erläutert, ohne dessen weitgehende Implikationen entfalten zu können. Adler benützt den Begriff "Willen zur Macht" in demselben Sinn wie Nietzsche.

III. Geheimnis der Wert-losigkeit

1. Werten als Wille zur Macht

Der Neurotiker antwortet auf das Grundgefühl der Minderwertigkeit durch Anstrengung seines Könnens, Adler (1912) sagt: durch "Steigerung seines Willens zur Macht".

Wenn wir nun mit Adler erforschen, wie aus der Neurose herauszukommen sei, müßten wir die Fragen stellen: Wessen kann ich grundsätzlich nie sicher oder mächtig sein? Was innerhalb des "Psychischen" unterliegt nicht meinem Streben? Was kann seinem Wesen nach nie zur Wertsteigerung beitragen? Mit anderen Worten: Wo muß jedes Könnenwollen scheitern? Wo kommt der Wille zur Macht an seine Grenze? Wo findet die Neurose ihr bitteres oder befreiendes Ende?

Ist es nicht so, daß noch so viel Wollen und Können einen Seinsmangel dem Wesen nach nicht aufheben, sondern ihn nur zudecken? Und was bleibt mir armem Neurotiker dann? Unüberwindbare Wertlosigkeit?

Wenn wir uns im folgenden Gedanken über das Werten machen, das im Selbstwertgefühl wirkt, so tritt das Machtthema nur scheinbar in den Hintergrund; denn Nietzsche sagt mit Recht: "Alle Wertschätzungen sind nur Folgen und engere Perspektiven im Dienste dieses einen Willens: das Wertschätzen selbst ist nur dieser Wille zur Macht" (hrsg. v. Schlechta, Bd.3, 680).

Jede Wertschätzung eines Menschen stellt ihn grundsätzlich in eine Skala zwischen Vollkommenheit und Nichtigkeit. Wo immer in der Rangstufe ich mich oder den anderen ansiedle: in jeder Wertintention liegt eine Tendenz zum höheren Wert, im Vergleichen kündigt sich an, daß ich möglicherweise in den Abgrund der Wertlosigkeit, ins bodenlose nichtige Nichts stürzen werde. Der Ansatzpunkt für Adlers Psychotherapie ist deshalb so zentral, weil er mit dem Gedanken der Wertlosigkeit den wundesten Punkt unseres Menschseins getroffen hat. Er hat in seinem ursprünglichen Werk auch das Gottähnlichkeitsstreben als Erscheinungsform des Willens zur Macht analysiert. Nach der Wende zum Gemeinschaftsgefühl (s. dazu: Witte 1988) hat er dann allerdings das Neurotische oder besser das Nihilistische des Vollkommenheitsstrebens nicht mehr sehen wollen.

2. Werten und Abschätzen des Menschen: atomare Entmenschlichung

Im Werten steckt nicht nur eine Überlegenheits- und Überbietungstendenz, sondern auch ein Abschätzen des Gewerteten für ein anderes. Etwas Irdisches ist nie an und für sich gut, sondern immer nur gut zu etwas. "Das bringt's nicht", oder: "Das bringt's", war noch vor kurzem eine Redensart der Teenagers. Ein Fetzen Papier ist Geld, Gold ist ein Wertstück; aber der Goldpreis schwankt, die Aktien fallen, sie bringen mir nichts, wenn mir keiner was dagegen eintauscht. Die Wertschätzung eines Menschen nimmt ihn nicht in seinem Wesen an, sondern als Mittel zu einem Zweck. Sogar wenn mir die Menschheit, d.h. die Humanität meiner selbst und der anderen der höchste Zeck ist, wie es der kategorische Imperativ Kants vorschreibt, treibe ich im Strudel der Wertschätzungen zwischen Allem oder Nichts, d.h. zwischen Wertsein oder Nichtssein. Ich vergesse das Sein und betreibe meine Entmenschlichung.

Das Wesen des Wertens ist Abschätzen. Wenn das Schätzen genau wird, ist es Rechnen. Die berechnende Wertschätzung des Menschen betreibt dasselbe Verdinglichen, Verzwecken und Verrechnen wie das Rechnungs- und Apparatewesen der Natur- und empirischen Sozialwissenschaft. Ich möchte einen Vergleich wagen: Wenn wir den zentralen, elementarsten Kern des Selbstwertgefühls freisetzen, setzen wir auch im Menschen Atomenergie frei. Das ist der Grund, warum im Kern der Neurose, besonders beim Borderline-Patienten eine so explosive Aggression bereitliegt: Der Atomkern des Menschen ist das dunkle Geheimnis seiner Wertlosigkeit, das er mit seinem individuellen Lebensstil zu verbergen und zu kompensieren sucht. (Ich erinnere: Das "individuum", das der Individualpsychologie den Namen gibt, heißt griechisch "atomon".) Im Kern des Individuums wütet ein Streit des Ichs mit sich selbst: Superman oder Kümmerling? Und wir alle ahnen: Dieser ganze Streit, das ganze Werten und Entwerten könnte nichts wert, könnte null und nichtig sein.

3. Durch den Abgrund der Wert-losigkeit - Wohin?

Das Minderwertigkeitsgefühl, als subjektive Erfahrung, ist nicht nur eine jeweilige, in diesem und jenem Menschen vorkommende Laune. "Leben heißt sich minderwertig fühlen" (Adler 1933/1973). Es ist, ontologisch betrachtet, eine Grunderfahrung der Nichtigkeit des Ichs. Diese sagt, daß das Kind wie auch der Erwachsene sich auf nichts berufen kann, was seinen Selbstwert letztlich sichert. Dieses und jenes wertvolle Handeln mag möglich sein, aber begründen und sichern kann es den Wert des Menschen nicht.

Wir stehen aber vor der Frage, ob vielleicht die ganze Suche nach Selbstwert in die Irre führt. Es scheint freilich, daß das Wertschätzen von allem und jedem, auch des Menschen, unserer Epoche unausweichlich verhängt ist. Es gibt ja noch mehr unausweichliche Irrwege in unserer Epoche. Jedoch der Verdacht der Wert-losigkeit des Menschen könnte zu Recht bestehen. Dann wäre aber weiter zu fragen, ob sich Wert-losigkeit immer nur als Minderwertigkeit verstehen läßt. Wert-los, das könnte auch wertfrei heißen. Das Wertstreben, das Suchen nach persönlicher Wertsteigerung durch psychisches Können mag die Irre nur vertiefen, vielleicht bis ins tatsächliche Irresein hinein.

Führt etwa der Weg zur inneren Freiheit notwendig durch das Gefühl der Wertlosigkeit? Zunächst durch eine Wertlosigkeit, die als Minderwertigkeitsgefühl erlebt wird, bis die Einsicht in unsere wesenhafte Wert-losigkeit uns freisetzt und uns Gelassenheit schenkt? - Ich bin ein Nichtsnutz? Ja! Doch wozu willst du mich denn benützen?

Zuvor hieß es, Hamlets Frage: Sein oder Nichtsein? laute in Adlers Fassung Wertsein oder Nichtssein? Wenn es nun mit dem Werten nichts ist, dann sollte man gründlich über das Sein und das Nichts nachzudenken anfangen. Aber wir müssen im Vorhof der Seinsfrage verharren: Statt vom Sein und vom Nichts will ich von der Liebe und von der Leere sprechen.

4. Wertfragen in der Liebe?

Was ist ein Mensch überhaupt wert? In unseren alltäglichen Liebestragödien und Tragikomödien kommen solche Sätze oft genug vor: Für den oder die bist du zu schade. Laß doch diesen Nichtsnutz sausen! Ein wertvoller Mensch ist er schon. Besonders amüsant werden solche Wertohrfeigen, die man sich an den Kopf knallt, wenn sie die Liebesbeziehung selbst würzen: Du bist es ja gar nicht wert, daß man sich mit dir einläßt. Amüsant ist diese ganze Wertabschätzung, weil SIE ihn eben doch einfach liebt, oder ER sie, und dabei sind sie es doch beide gar nicht wert. Für den Psychologen freilich wird die Liebe erst richtig spannend und meistens tragisch, wenn sich irgendwelche Wertfragen hineinmischen; denn sonst ist die Liebe nur schlechthin schön oder beglückend oder einfach da. Doch in unseren neurotischen Zeiten brauchen wir auf die Wertfragen in der Liebe selten lange zu warten: moralische, ästhetische, libidinöse, ökonomische Werte. Wer oder was hat Vorrang? Wieviel heimliche Zeit dürfen wir uns stehlen? Und erst: Warum liebst du mich überhaupt? Vielleicht meinst du mich gar nicht. Bin ich überhaupt liebenswert? Du bist es ja gar nicht wert! Doch das hatten wir schon! Und dabei lieben sie sich eben doch.

Offenbar sind Lieben und Wertschätzen zwei ganz verschiedene Sachen, die sich manchmal gar widersprechen.

5. Liebe, in die Besorgung genommen

Nicht nur durch Werten, auch durch Könnenwollen versuchen wir uns der Liebe zu bemächtigen, sie in die Sorge zu nehmen. Wir haben dann zwar nicht ausgesorgt, doch wir geben uns Mühe, die Liebe zu entsorgen. Doch auch auf diesem Gebiet bleibt das Problem der Entsorgung ungelöst.

Ursprünglich ist die Liebe einfach da. Dann aber versuchen wir, sie zu benennen, wir planen für die Zukunft, wollen sie bewahren und vertiefen. Wir setzen auf geistige, körperliche Übereinstimmung. Wir suchen die gemeinsame Zeit zu nutzen. Wir grenzen die Störfaktoren aus und entwerfen Spielregeln der Kommunikation. Am Ende studieren wir, die sexuelle Praxis zu verbessern, und probieren vielleicht neue Wege aus. Schließlich fliehen wir in die leeren Möglichkeiten der Phantasie: Wenn wir nur auf eine Südseeinsel auswandern könnten! Beinahe hätte ich den alltäglichsten Versuch vergessen, wie wir die Liebe auf Dauer entsorgen wollen: wir heiraten.

IV. Liebesentzug und Seinsvergessenheit

1. Entzug und Ereignis

Doch in der Sorge um die Liebe könnte sich andeuten, daß ich etwas übersehen habe: Was geschieht, wenn ich vom geliebten Menschen getrennt bin? Im Getrenntsein erfahre ich Entbehrung. Ich werde zwar freigesetzt, aber zunächst in einer so schmerzlichen Weise, daß ich nur die Qual spüre. Meine Intention, meine Bezugsmöglichkeiten, die zuvor gegeben und erfüllt waren, gehen jetzt ins Leere. Ich bin nicht mehr bezogen auf einen Menschen oder eine Sache, auf eine Aufgabe oder ein Werk der Muße, sondern gleichsam auf nichts. Ich versuche, mich zu zerstreuen. Ich zwinge mich zur Arbeit; aber nichts kann meine Ungeduld, meinen Kummer und meine Sehnsucht stillen. Dieses leere Nichts ist der Feind. Es ist das lästige und nichtige Dies und Das, das Hin und Her, die Unruhe, das Unstete, die Gedankenflucht oder auch das nichtige Starren, das blöde Dasitzen, dessen Leere erst noch vertieft wird, wenn wir daraus erwachen.

Doch manchmal ereignet sich etwas anderes: Die Stimmung der Leere, der Langeweile, der Nichtigkeit kann umschlagen. Plötzlich sagt sie mir etwas. Ich kann dessen gewahr werden, daß es gar nicht dies und das war, was mir das Glück bedeutete, sondern eine Einstimmung. Es war die Liebe, das Sein im Augenblick, was uns durchstimmte. Jetzt ist es verloren, und nichts, das heißt kein Tun und Lassen, kein Können und Wollen holen es wieder herbei. Die Liebe ist eine Erfahrung des Seins. Sie ist nicht dies oder das. In diesem Sinne ist sie eigentlich Nichts. Man kann allerhand herbeiwünschen, aber die Liebe läßt sich nicht dingfest machen.

Ich ersehne, wenn mir die Liebe fehlt, eigentlich nicht den Anruf, nicht die Umarmung, nicht einen Brief. Oder ich suche das alles oder nur irgend etwas, aber eben ganz anders, nämlich als Erfahrung des Seins. Die Entbehrung der Liebe ist die Erfahrung davon, daß sich das Licht aus den mir vorgegebenen Gegenständen und Erlebnissen zurückgezogen hat, daß sich entzogen und verborgen hat, was uns durchstimmte.

2. Kampf gegen die Leere

Jetzt suche ich es wieder zu finden, ich suche es in den Gegenständen, in Zerstreuungen, in Verabredungen, im Zusammensein, in der Rückkehr an die vergangenen Plätze, im "Laß uns nochmal ..." Das alles kann man machen, mag sein, aber was bringt es? Trotz aller Vorsätze stellt sich die Liebe nicht wieder ein. Wenigstens nicht, solange es uns umtreibt. Der Liebeskummer erfordert einen ungeheuren Verbrauch an Zeit, an Erlebnissen, an Befriedigungen. Er verschlingt sie geradezu, manchmal auch ganz realistisch. Man fängt an zu fressen, zu saufen, zu rauchen, um die Leere zu füllen.

a) Leiden an der Leere

Wir sind beim Erscheinungsbild der Sucht. Ihre psychischen Wirkweisen lassen sich am besten erkennen, wo keine Gifte die körperliche Abhängigkeit begründen, zum Beispiel in der Eßsucht. Sie ist in Wahrheit die Krankheit der Leere, des Liebesentzugs, der Seinsvergessenheit. Nicht anders ist es mit den alltäglichen Sucht- und Fluchtformen. Wir richten uns im Entzug ein und konsumieren. Die Verfallenheit ans Konsumieren, die Süchtigkeit auf Gebrauchsmittel wird nicht spürbar, weil sie sich an gesellschaftlich anerkannte, vielleicht sogar hochgeschätzte Objekte hält, die verschlungen werden: Titel, Ehren, Parties, Einrichtungsgegenstände, Reisen, Freunde, "Häschen" und "Typen". Die ganze gesunde Gesellschaft unterliegt dem Willen zur Macht, der sich ermächtigt, die Krankheit der Leere vergessen zu machen. Stellen wir uns nur einen Moment vor, die Liebe würde in unseren Tagen öffentlich ausbrechen. Welcher Untergang für viele Industrie- und Wirtschaftszweige, welche Katastrophe für manche "Beziehung"; vielleicht auch eine Schreckensvision für uns Psychotherapeuten!

b) Verzicht gegen Entzug

Eine andere Form dieser Krankheit richtet sich nicht nur in der Leere ein, sondern sie sucht sie: Ein drastisches Beispiel ist die Magersucht, oder allgemeiner und mit Nietzsche gesprochen: das asketische Ideal (heute manchmal modisch verwirklicht im Jogging- und Marathonkult). Auch dieser Kampf gegen die Leere ist fixiert auf verdinglichte Formen des Seins, aufs Essen, auf Luxusgegenstände, auf Lust, auf Sex. Aber er will das alles nicht. Er setzt an dessen Stelle den Willen zur Selbstüberwindung, zur Leistung, zum Verzicht. Aber die Verweigerung macht die Leere nicht fruchtbar. Die Verweigerer geben das Wollen nicht auf. Der Wille zur Macht nimmt seine extremste und konsequenteste Erscheinungsform an: Er wird zum Willen ins Nichts, zur Selbstverstümmelung, zum Selbstmord. "Lieber will noch der Mensch das Nichts wollen als nicht wollen", sagt Nietzsche (hrsg. v. Schlechta, Bd.2, S. 900). Der Willensmensch, der Magersüchtige, der Asket, der Masochist, er will Herr über die Leere sein. Er sucht die Selbstmacht durch Bemächtigung über das leerlassende, süchtigmachende Seiende, über den Hunger und die Speise, über die Bedürftigkeit und über die geistige oder emotionale Nahrung. Seine Macht liegt in der Geste des Nein. Er setzt selbstgewählten Verzicht gegen den über ihn verhängten Entzug. Er macht die Leere zum Prinzip. Er macht mit seinem Wollen dem Sein den Platz streitig. Er versucht, Herr über das Nichts zu sein, indem er sich und alles vernichtigt und vernichtet.

3. Wink der Liebe - Tor zum Sein

Die Frage nach dem dunklen Geheimnis der Wert-losigkeit führt in eine noch tiefere Dunkelheit. Ja, du bist wertlos, ich bin nichts wert. In dieser Rolle, mit jener Leistung, als Objekt verschiedener Projektionen zwar habe ich Wert für den einen oder die andere. Dieses Werk, jene Unternehmung, die eine oder andere Beziehungskiste kann ich mächtig in Gang setzen. Aber mein Sein und Lieben haben keinen Wert. Ihrer bin ich nicht mächtig.

In dieser Wert-losigkeit und Ohnmacht aber deutet sich etwas anderes an. Etwas ereignet sich ab und an: Die Liebe entzieht sich, wenn ich sie erstrebe. Das Sein ist verborgen und vergessen hinter all den Dingen, die ich im Überfluß habe oder entbehre. Im Entzug beherrscht mich die Not. In der Leere spricht mich die Liebe als abwesende an. Die Not spricht die Sprache des Seins: Sie sagt Nein zu all meinem Könnenwollen, zu meinem Willen zur Macht. In diesem stillen Nein zu meiner lärmenden Ichmacht liegt ihr Wink. So ist mir die Liebe in meiner Not - gerade durch ihre Verweigerung - näher als in der unbekümmerten Betriebsamkeit, in der ich Tag für Tag meinen Geschäften nachgehe und zu Zeiten auch "der Liebe pflege".

In der Leere kann eine schweigende Botschaft mich treffen. Durch den Entzug freigesetzt, stehe ich offen für ein Unerwartetes, das mir in den Rücken fällt und mich zuweilen anrührt: das Ereignis des Seins, das vielleicht durch die Liebe zu mir sprechen mag.

Literatur

Adler, Alfred: Der Sinn des Lebens (1933), hrsg. von Metzger, W., Fischer-TB Nr.6179, Frankfurt 1973

- : Zur Kritik der Freudschen Sexualtheorie (1911), in: Adler, A.: Heilen und Bilden. Ein Buch der Erziehungskunst für Ärzte und Pädagogen, hrsg. von Metzger, W., Fischer-TB.6220, Frankfurt 1973

- : Über den nervösen Charakter Grundzüge einer vergleichenden Individual-Psychologie und Psychotherapie. Bergmann, Wiesbaden  1912. (Neue Ausg. nach der 4. Aufl. von 1928): hrsg. v. Metzger, W., Fischer-TB 6174, Frankfurt 1972

Descartes, René: Meditationes de prima philosophia / Meditationen über die erste Philosophie, hrsg. von Schröder, E.Ch., Meiner, Hamburg 1956

Heidegger, Martin: Sein und Zeit, 1927, Gesamtausgabe Bd. 2, Klostermann, Frankfurt 1976

Nietzsche, Friedrich: Werke in drei Bänden, hrsg. v. Schlechta, K., 8. Aufl., Hanser, München 1977

Strotzka, Hans: Macht. Ein psychoanalytischer Essay. Zsolnay, Wien / Hamburg 1985

Weizsäcker, Carl Friedrich von: Der Garten des Menschlichen. Beiträge zur geschichtlichen Anthropologie. 4. Aufl., Hanser, München 1978

Witte, Karl Heinz: Das schielende Adlerauge - oder wie Alfred Adler die Schätze seiner ursprünglichen Theorie übersah. In: Zeitschrift für Individualpsychologie 13 (1988)

 



[1] Vortrag anläßlich der VII. Delmenhorster Fortbildungstage für Individualpsychologie vom 7.10. bis 10.10.1987

[2] Zu Heisterkamp und Horster: siehe deren Beiträge in diesem Band.