Inhalt
Vorwort
5
Einleitung
11
TEIL I. INDIVIDUALPSYCHOLOGISCHE
GRUNDANALYSEN
1. Über den Sinn der Frage nach dem „Sinn des Lebens“
19
1. Der Souverän und seine ‚aufgeklärte‘ Verfassung
19
2. Der „Sinn des Lebens“ – und warum man ihn nicht
loswerden kann
22
3. Sinnkonstitution a): Der Sinn ist die Funktion
26
4. Sinnkonstitution b): Das Gemeinschaftsgefühl oder das
ciszendentale Selbst
28
5. Das Selbstgefühl
29
6. Das Gemeinsame als das Ciszendentale
31
7. Innere Wahrnehmung
35
2. Zeitlichkeit und Augenblick
38
1. Kindheitserinnerungen und Gegenwartsmomente
38
2. Zeitlichkeit und Weg-Sein
45
3. Da-sein und Augenblick
50
3. Ich-Identität in der Psychoanalyse und Individualität
bei Alfred Adler
54
1. Problemansatz der Identitätsdiskussion
54
2. Ich-Identität bei Erik H. Erikson
55
3. Identifizierung bei Otto F. Kernberg
57
5. Selbststruktur in der neueren klinisch-psychoanalytischen
Forschung
61
6. „Individualisierendes Vorgehen“ bei Alfred Adler
63
7. Adlers Konzept der Ichbildung
66
8. Metapsychologie des Individuums bei Adler
70
9. Unbewusste Identität
74
4. Die Neurosenlehre Alfred Adlers
82
1. Adlers Kritik an Freud
82
2. Adlers Neurosenlehre
83
3. Die Neurose als Wertsystem
86
4. Das alltägliche Machtstreben und die Neurose
89
5. Die Paradoxie des Wertens
94
6. Liebesentzug und Seinsvergessenheit
98
7. Werten oder Wahrnehmen?
102
TEIL II. PSYCHOANALYTISCHE UND MYSTISCHE
WAHR-NEHMUNG
5. Eine ciszendentale Interpretation der Individualpsychologie
Alfred Adlers
107
1. Aufriss der Themenstellung
108
2. Alfred Adlers heillose Psychologie der ersten Theoriestufe:
Zu kurz gekommen in der feindseligen Welt
109
3. Die psychotherapeutische Ausgangsfrage Adlers
109
4. Konkurrenz um die Kompensation
111
5. Konfliktpsychologie
112
6. Individualpsychologische „Weltanschauung“
115
7. Die Frage nach dem Heilenden
116
8. Adlers Wende zum „Gemeinschaftsgefühl“, seine zweite
Theoriestufe
118
9. Einführung des neuen Konzepts
119
10. Grenze und Umkehr
120
11. Die Liebe als das Heilende im philosophischen und
psychotherapeutischen Feld
124
12. Die Umkehrung der Beziehungskonstitution
125
13. Sünde und Heil in einer „tiefenpsychologischen“ Theologie
127
14. Eine präpsychologische Sicht des Unbewussten:
Liebe versus Sünde
129
15. Der unbewusste böse Wille
130
16. Heilung durch Umkehr: die unbewusste Liebe
133
17. Der ciszendente Charakter der Liebe
137
18. Der Gegensatz von Liebe und Hass bei Melanie Klein
139
19. M. Kleins ‚theologische‘ Metapsychologie
143
20. Phänomenologische Betrachtung der Umkehr
146
21. Peter Sloterdijks Sphärologie
148
22. Das „Trans“ der Transpersonalen Psychologie:
Umkehr oder Aufstieg?
152
6. Sehnsucht: Trieb, Begehren, Streben –
Eine tiefenpsychologische Revision
155
1. Allgemeinpsychologie
155
2. Sehnsucht auf dem Hintergrund der Subjektphilosophie
157
3. Psychotherapeutische Schulen
162
7. Selbsterfahrung und mystische Erfahrung
176
1. Mystisches ist geschichtlich
177
2. Verdrängung der Mystik in der Theologie,
des Mystikäquivalents in der Psychoanalyse
178
3. Selbsterfahrung
179
4. Ein neues Jenseits
180
5. Das Ich und das Selbst
183
6. Experimentum
184
7. Was ist Mystik? – Abgrenzung von institutionalisierter Religion
187
8. Selbsterweis der eigenen Erfahrung
189
9. Die Eigenart religiöser Aussagen nach Freud
190
10. Lehrsätze oder ozeanisches Gefühl
190
11. Ozeanisches Gefühl
192
12. Das Mystikäquivalent in der Psychoanalyse
198
13. An der Grenze von Primär- und Sekundärprozess
198
8. Feldarbeit zwischen Mystik und Wissenschaft bei dem
Psychoanalytiker Wilfred R. Bion –
mit einem Ausblick auf Meister Eckhart
204
1. Bions ‚mystische‘ Psychoanalyse
204
2. Zur mystischen ‚Psychologie‘ Meister Eckharts
214
3. Die Weise des Hervorgangs seelischer Prozesse
215
4. Hervorgang „in geburt wîse“
217
9. Die Dimension des Mystischen in der Psychoanalyse
221
1. Psychoanalyse als Methode
222
2. Gleich schwebende Aufmerksamkeit
224
3. Theodor Reik und Jacques Lacan
226
4. Wilfred R. Bion
228
5. Definition des Mystischen
232
6. Mystik und Psychoanalyse
235
10. Das „Unbewusste“ – die „mystische“ Seite des Rationalen
240
1. Freuds Einführung des Unbewussten
242
2. Adlers Konzept des Unbewussten
244
3. Aufriss eines integrativen Konzeptes des Unbewussten
248
4. Matte-Blancos Deutung des Unbewussten
249
5. W. R. Bion: Erkennen und Sein
253
6. Das dekonstruktivistisch verstandene Mystische
258
Literatur
265
Nachweise
284
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Einleitung
Die Psychoanalyse ist zu Beginn des 20.
Jahrhunderts als eine neue Wissenschaft
angetreten, die eine bisher nicht hinreichend
beachtete Qualität des Bewusstseins
erforschen wollte: das Unbewusste. Über
den ontologischen und
phänomenologischen Status dieser
Wirkkraft und über deren Funktionsweise
gab es nie endende Diskussionen.
Der Ausgangspunkt meiner
Betrachtungen zur Psychoanalyse ist die
analytische Individualpsychologie Alfred
Adlers. Einer der Gründe für dessen
Trennung von Freud im Jahre 1911
resultierte daraus, dass er keinen sachlichen
Unterschied zwischen dem Unbewussten
und dem Bewussten gelten lassen wollte,
dass er vielmehr beiden Funktionen eine
einheitlich wirkende „Finalität“ zusprach,
die phänomenologisch präziser der
husserlschen Inten-tionalität gleichkommt.
In dieser Gerichtetheit wurzelt für ihn die
Einheit und Charakteristik der
Persönlichkeit. Daraus leitet sich ab, dass
Adler die Lebensbewegungen des
Einzelnen unabweisbar in dem von diesem
Individuum entworfenen Sinngefüge
verwurzelt findet, das gleichsam eine
individuell konstruierte Ganzheit darstellt
(1. Kapitel: Über den Sinn der Frage nach
dem Sinn des Lebens).
Die Neurose ist damit nur eine
Sonderkonstruktion der allgemein
menschlichen Lebensform, die Adler,
wenigstens in der ersten Phase seiner
Neurosenlehre (bis 1918), auf Sicherung
und Überlegenheit gegen die sozialen und
naturalen Bedrohungen der Existenz
aufgebaut sieht (4. Kapitel: Die
Neurosenlehre Alfred Adlers).
Darin sind gewichtige philosophische
Implikationen enthalten, die der Sache nach
von Adler entfaltet wurden, aber in ihrer
grundsätzlichen Bedeutsamkeit noch nicht
hinreichend bedacht worden sind. Im Sinne
Heideggers lässt sich sagen, dass die erste
Theoriestufe zwei Existenzialien in den
Blick nimmt, die Zeitlichkeit und das je
eigene Selbstsein. In beiden Bereichen
treibt Adler die Analysen an eine Grenze, an
der die Intentionalität und die
Weltbezogenheit des Individuums in einem
Ursprungspunkt, gleichsam in einer
dynamischen Sammlung, im Augenblick
aufgehoben sind. Das heißt, gegenläufig
betrachtet, dass in diesem Ursprungspunkt
die Lebensgabe aus der Einheit der Zeit im
Augenblick entspringt, dass hier
Rezeptivität an die Stelle der aktiv
schöpferischen Intentionalität tritt. Das
bedeutet für die Zeitbezogenheit des
Individuums, dass seine Existenz nicht als
horizontale Erstreckung von der
Vergangenheit in die Zukunft, von der
Geburt bis zum Tode erscheint. Vielmehr
versteht Adler die zeitliche Existenz als eine
vertikale konzentrische Explikation
lebenserfüllter Augenblicke, indem in jeder
einzelnen seelischen Erscheinung das
Ganze des Lebensstils, das heißt
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in
eins, wie in einem Symbol erblüht (2.
Kapitel: Zeitlichkeit und Augenblick).
Damit ist wiederum gesagt, dass das
übliche entwicklungspsychologische
Kausalitätsverständnis, nach dem
bestimmte in der Vergangenheit liegende
Ereignisse die Persönlichkeit oder auch die
Neurose eines Menschen prägen, nur einen
Außenaspekt der psychischen Gestalt
erfasst, nicht aber die je eigene
Individualität in ihrer Subjektivität. Indem
Adlers Forschungsrichtung das Individuum
selbst mit seinem einmaligen Erleben und
seiner Selbstgestaltung in den Blick nimmt,
weicht sie von dem etablierten
objektivierenden Wissenschaftskonzept der
Psychologie und Psychotherapie ab. Das
Ziel der Individualpsychologie ist es, das
Individuum selbst in seiner Individualität zu
erfassen, das heißt nicht allgemeine
Charakteristika zu ermitteln, die den
Einzelnen als Fall einer Regel oder einer
Diagnose zuordnen. Dies liegt sowohl
wissenschaftlich wie auch meist
philosophisch außerhalb der
Aufmerksamkeit; auch die qualitative wie
die Einzelfallforschung in der
Psychotherapie haben eine objektivierende
Methodik und Zielsetzung. Adlers
individuelle Analyse setzt auf einer
allgemeinen Diagnostik auf, versucht dann
aber vorzudringen zur Erfassung des
individuellen „Lebensstils“, in dem die
gleiche Erscheinung bei zwei Individuen
Verschiedenes bedeuten kann. Die Methode
bei diesem Vorgehen ist nach Adlers Worten
die „vergleichende
Zusammenhangsbetrachtung“ und die
„künstlerische Einfühlung“ (3. Kapitel: Ich-
Identität in der Psychoanalyse und
Individualität bei Alfred Adler).
Das Konzept der Individualität nach
dem Vorbild des psychotherapeutischen
Mitlebens, der Intropathie, gewinnt in der
Lebensphänomenologie Michel Henrys und
Rolf Kühns eine grundsätzliche Bedeutung
für das radikal phänomenologische
Verstehen des Lebens selbst, sodass Kühn
(2009, 144–151) der Psychologie sogar –
im Kontrast zur Metaphysik des Aristoteles
– den Rang einer „ersten Philosophie“
zuschreibt. In diesem radikal
phänomenologisch erschließbaren
Lebensgrund konvergieren das
individualpsychologische Ich, die mystische
‚Gottheit' und das psychoanalytische
Unbewusste. Dieser Ursprungsgrund ist
freilich dem diskursiven und reflexiven
Erkennen nicht zugänglich. Vielmehr
offenbart er sich in der Gabe („Gebung“)
des Lebens, im Ergriffensein vom
dynamischen Unbewussten, das die
heimliche Gestaltung unseres
Lebensvollzugs übernimmt, im
überwältigenden Affiziert-sein bei der
Geburt des Selbst („Ipseität“), das sich in
der gleichursprünglichen Geburt des
Mitlebendigen als Liebe, als erleidendes
Mitbewegtsein („Gemeinschafts-gefühl“)
selbst erweist („erprobt") (Zweiter Teil,
Kap. 5–10).